Brotfilme

Der große Brotreport

Zusatzstoffe, technische Enzyme und Billigpreise: Deutsches Brot hat nur noch wenig mit handwerklicher Tradition zu tun. Billiges Industriebrot macht naturbelassenes, handwerklich hergestelltes Brot zu einer echten Alternative. Meine Auswertung eines Films von Tabea Beutel.

Das DLG-Qualitätssiegel ist nur »eingeschränkt empfehlenswert« (siehe: label-online.de). Es handelt sich um ein Label, das besonders das Aussehen, den Geschmack, den Geruch und andere sensorische Eigenschaften beurteilt. Prof. Dr. Meinolf Lindhauer, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Brotinstituts, sagt im Film: »Hilfsstoffe, die bei der Herstellung eines Produktes verwand werden, sind nicht Gegenstand der Prüfung hier, weil wir hier das testen, was vor unseren Sinnen ist.« Die DLG-Prüfung ist also nur eine sensorische. Inwieweit Zusatzstoffe zu dem sensorischen Erscheinungsbild beigetragen haben, bleibt unberücksichtigt.

Aryzta ist europäischer Marktführer für Tiefkühlbackwaren. Für die maschinelle Herstellung werden Zusatzstoffe benötigt. Ein Brotteig ist von Natur aus klebrig. Um ihn maschinengängig zu machen, muss er enzymatisch behandelt werden. Der Film zeigt kurz das Lager von Aryzta. Erkennbar sind Produkte von Komplet, der Crespel & Deiters Group (Loryma: Drei Hasen Wezenstärke) und Puratos.

Große Mühlen mischen die Zusatzstoffe direkt ins Mehl. Müller Michael Litz von der Litz Mühle nennt als Beispiele α-Amylase, Ascorbinsäure, Cystein und Proteasen. Wer naturbelassenes Brot backen will, muss also schon beim Mehlkauf darauf achten, Mehle ohne Zusatzstoffe zu bekommen.

Die europäische Zusatzstoffverordnung (Nr. 1333/2008) umfasst rund 340 Zusatzstoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen. Nicht alle davon sind für den Einsatz im Brot zugelassen. Im Film heißt es: »Laut EU-Verordnung dürfen im deutschen Brot 158 verschiedene Zusatzstoffe eingesetzt werden.« Diese Zusatzstoffe finden sich zum Beispiel in Backmischungen. Im Film beurteilt der Freibäcker Arnd Erbel drei Backmischungen: 1.) KornspitzMix von backaldrin, 2.) Unser Vollkorn Brötchen der Marke Ulmer Spatz (CSM) und 3.) das Hildegard von Bingen Brot der Marke Ulmer Spatz (CSM). Arnd Erbel sagt zur Verwendung von Backmischungen: »Für den Bäcker ist es – ja – ein Armutszeugnis, eigentlich eine Offenbarung. Da geht an sich eine Kultur kaputt, die Backkultur.« Am Ende der Herstellungskette werden keine fachlich kompetenten Bäcker mehr benötigt, sondern nur noch ungelernte Hilfskräfte, denn das Arbeiten mit Backmischungen ist – wie es so schön heißt – »gelingsicher«.

Deutlich wird auch die Problematik der Imagebildung, die im Wesentlichen nur gewinnorientiert ist. Als Beispiel dient das »Hildegard von Bingen Brot« von Ulmer Spatz. Das Werbeversprechen lautet: »Im Reinen mit sich selbst«. Auf der Tüte der Backmischung sind jedoch Zusatzstoffe aufgelistet, die Hildegard von Bingen sicher noch nicht verwendet hat. Dazu noch einmal Arnd Erbel: Suggeriert wird »ein gewisses Gesundheitsversprechen mit Hildegard von Bingen, aber ich habe [in der Zutatenliste] vier Zuckerarten gezählt [brauner Zucker, Karamellzucker, Maltodextrin und Backhonig]. Alles Sachen, die ich jetzt nicht essen möchte, vom Palmfett angefangen bis hin zu Emulgatoren und Lecithinen. Das, was ich da lese, ist weder gesund für den Menschen noch für die Natur.« Der Endverbraucher muss erkennen, dass seine Erwartungen an eine gesunde und authentische Ernährung zwar zu Marketingzwecken erforscht, aber nicht wirklich bedient werden. Er muss lernen, zwischen Schein und Sein zu unterscheiden.

DSM ist einer der größten Hersteller von Enzymen für die Backwarenindustrie. Enzyme bewirken weniger klebrige Teige, ein größeres Volumen, eine knusprigere Kruste, eine intensivere Farbe und eine längere Haltbarkeit. Die enzymatische Behandlung der Teige dient somit der Brotindustrie, den Supermärkten und Discountern und den Verbrauchern von Billigbrot. Die Brotindustrie braucht maschinengängige Teige, die Supermärkte und Discounter brauchen lange haltbares Brot für ihre Regale und der Billigbrotkonsument will »gutes« Brot für wenig Geld.

Um den schönen Schein nicht zu trüben, wird die Deklarationspflicht gelockert. Dr. Britta Schautz von der Verbraucherzentrale Berlin sagt: »Die Zusatzstoffe, die dann am Ende im Brot keine technologische Wirkung haben. die müssen nicht gekennzeichnet werden. Genauso auch wie bestimmte Enzyme, die sich dann während des Gärprozesses zum Beispiel abbauen.« Brot ist also bis zu einem gewissen Grad eine Blackbox für den Verbraucher.

Auf die Kehrseite des schönen Scheins weist Prof. Dr. Xaver Baur hin: »Es ist in der Tat so, dass Enzyme aus Backmitteln mit zu den häufigsten Allergieauslösern in unseren Studien gehören.« Bruchteile eines Milligramms können zu Asthmaanfällen führen.

Einige Hinweise zu gesundem Brot:

Der Kaloriengehalt macht Weißbrot nicht ungesünder als Vollkornbrot. Beide Brotsorten enthalten etwa gleich viele Kalorien. Vollkornbrote haben jedoch eine langsam ansteigende und lang anhaltende Energiekurve. Sie liefern also gleichmäßiger und länger Energie. Weißbrot oder helles Auszugsmehlbrot dagegen liefern einen schnellen, aber nur kurzen Energieschub. Vollkornbrot enthält mehr Mineralstoffe, Vitamine und Ballaststoffe. Die Ballaststoffe sorgen für ein länger anhaltendes Sättigungsgefühl. Weißbrot sättigt nicht so lange wie Vollkornbrot. Deshalb isst man mehr davon und nimmt somit mehr Kalorien zu sich. Vollkornbrot hat also viele Vorteile. Dem Verbraucher wird Vollkornbrot allerdings oft nur optisch vorgetäuscht. Prof. Dr. Bernhard Watzl vom Max Rubner-Institut in Karlsruhe: Zuckerkulör färbt die Krume dunkel und täuscht so Vollkornbrot vor. Dasselbe gilt für Körner auf der Kruste.

Prof. Friedrich Login von der Universität Hohenheim vermutet: Zusatzstoffe könnten für Weizenunverträglichkeiten verantwortlich sein. Er weist auch auf den positiven Effekt einer langen Teigruhe hin: Nach 4 bis 5 Stunden sind keine Fodmaps mehr im Teig enthalten. In den Brotfabriken hingegen ruht der Teig oft weniger als eine Stunde. Er wird also genau dann gebacken, wenn die Anzahl der Fodmaps besonders hoch ist. Je länger der Teig ruht, desto mehr Mineralstoffe sind verfügbar. Außerdem verbessern sich Geschmack und Frischhaltung.

Die handwerklichen Bäcker sollten nicht das gleiche Industrieprodukt wie der Supermarkt anbieten, noch dazu zu einem höheren Preis. Angesichts der oben beschriebenen Situation tut sich für sie eine Marktlücke auf. Handwerks- und Hobbybäcker können sich für konsequent naturbelassenes Brot einsetzen.