Die Reportage »Billige Brötchen: Die Spur der Teiglinge« aus dem Jahr 2011 deckt den industriellen Hintergrund von Billigbrötchen auf. Der Kunde muss sich entscheiden, ob er billiges oder naturbelassenes Brot kaufen möchte.
Der Film geht von einer handwerklichen Bäckerei aus und stellt diese als Auslaufmodell dar. Eine kritische Anmerkung am Rande: Handwerk steht nicht per se für Qualität. Handwerksbäcker verwenden beispielsweise auch Backvormischungen. Im Film wird die Verwendung der Backvormischung Nordländer der Firma Komplet gezeigt. Nordländer ist eine Vormischung zur Herstellung von Roggenmischbroten mit Sonnenblumenkernen.
Dem Auslaufmodell steht das Erfolgsmodell gegenüber. Grundlage ist die Geiz-ist-geil-Kundschaft, die für wenig Geld gut aussehende und leckere Backwaren haben will. Sie wird von Backshops, z.B. Back-Factory, bedient. Diese Shops erhalten tiefgekühlte Teiglinge, die dann vor Ort gebacken werden. Als erstes Unternehmen kam Harry-Brot 1997 mit dem Prebake-Konzept auf dem Markt. Beliefert werden die Backshops von Großhändlern. Der Film stellt die DeWi-Back Handels GmbH in Berlin vor, die 1996 von Michael Decius und Wolfgang Winter gegründet wurde. Die DeWi-Back bezieht ihre Waren unter anderem von Inter Europol, einem Hersteller von Tiefkühlprodukten in der Nähe von Warschau.
Harry Brot benötigt keine Backvormischungen. Allerdings muss das Naturprodukt Mehl für die maschinelle Brotherstellung mit Enzymen vorbehandelt werden, um Teige mit den von den Anlagen geforderten konstanten Eigenschaften herstellen zu können. In einem Brötchenteig können zwischen 5 und 20 Enzyme enthalten sein. Sie steuern Feuchtigkeit, Geschmack, Frischhaltung, Kruste, Sensorik, Teiggängigkeit und Volumen. Im Endprodukt sind ca. 1% Enzyme und andere Zusatzstoffe enthalten. Diese müssen nicht deklariert werden (Clean Label).
Die Firma Mühlenchemie in Ahrensburg bedient die Bedürfnisse der Backindustrie. Der Grund für die enzymatische Behandlung der Mehle, so der Lebensmitteltechnologe Lutz Popper, ist die problemlose Verarbeitung in den Anlagen der Backindustrie. Die maschinelle Herstellung benötigt Mehle mit konstanten Eigenschaften. Deshalb muss aus dem Naturprodukt Mehl eine standardisierte industrielle Backzutat werden. Gleichzeitig geht der Trend in Richtung Clean Label oder Lean Label. Denn der Endverbraucher soll möglichst wenig von der Manipulation des Mehls mitbekommen.
Das Max Rubner-Institut ist das Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel. Es soll zum gesundheitlichen Verbraucherschutz im Lebensmittelbereich beitragen. Es gibt aber offen zu, dass es den Enzym-Cocktail in Backvormischungen nicht analysieren kann. Und das, obwohl nirgendwo sonst in der Lebensmittelproduktion so viele Zusatzstoffe zum Einsatz kommen wie in Backwaren.
Novozymes in Kopenhagen ist der weltgrößte Hersteller von Enzymen. Die Brottechnologin Fiona Becker erklärt, dass die Forschung den Bedürfnissen der Brotindustrie dient; beispielsweise müssen die Teige maschinengängig sein. Der Brotphysiker Leonardo De Maria formuliert das Endziel, alle Funktionen im Teig zu kontrollieren, um sie dann manipulieren zu können. Ein Beispiel ist das Enzym Novamyl: Ein damit hergestelltes Brot ist nach acht Wochen noch so weich wie am ersten Tag. Es bewirkt lange Frischhaltung und Weichheit (softness).
Unter gutem Brot versteht jeder etwas anderes. Für die einen ist gutes Brot billiges Brot, das gut aussieht und gut schmeckt. Auf diesen Wunsch der Masse baut eine breit aufgestellte Industrie. Immer mehr Menschen verstehen aber unter gutem Brot ein konsequent naturbelassenes Brot.